Wasserrahmenrichtlinie endlich konsequent umsetzen

Abschlusserklärung des WRRL-Forums 2016 von BUND, Grüne Liga, NABU und WWF am 18./19.11.2016 in Fulda

(Stand: 23.11.2016)

Bedeutung natürlicher Gewässer für Mensch und Natur

Wir erinnern daran, dass unsere Flüsse, Auen und Seen Hotspots für eine naturraumtypische biologische Vielfalt sind. In Deutschland bieten sie mehr als der Hälfte der vorkommenden Arten einen Lebensraum. Und dies, obwohl Flussauen in ihrer ursprünglichen Ausbreitung (ohne Deiche) nur ca. 5 % der deutschen Landesfläche einnehmen würden. Nur knapp ein Drittel der einstigen Flussauen ist heute noch überflutbar und ein sehr geringer Anteil von diesem Drittel ist in einem naturnahen Zustand. Auch wir Menschen profitieren enorm von sauberen Grundwasservorkommen und natürlichen Flussauen, v.a. als Trinkwasserquelle, natürlichem Nährstofffilter und kostenlosem Hochwasserrückhalte- und Erholungsraum.

Deutschland hat gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedstaaten diese essentiellen Bedeutungen von Gewässern und Auen erkannt, so dass auf Ebene der EU im Jahr 2000 die EG- Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verabschiedet werden konnte. Sie gibt Instrumente, Verfahren und Fristen vor, damit Grundwasser, Seen, Fließ- und Küstengewässer geschützt und entwickelt werden. Ziel der Richtlinie ist der gute Zustand der Gewässer, der durch verschiedene Maßnahmen von den Mitgliedsstaaten bis zum 22.12.2015 erreicht werden sollte. Diese Frist galt auch für gewässerabhängige Schutzgebiete wie Auen und Moore, die unseres besonderen Schutzes bedürfen.

Note „mangelhaft“ für den Zustand unserer Gewässer

Wir stellen in Deutschland fest, dass die Situation der Gewässer auch nach Abschluss der ersten Umsetzungsperiode der WRRL von 2009 – 2015 alarmierend bleibt. Mehr als 90 % der Gewässer verfehlen die Umweltziele. Der Zustand der Küstengewässer bleibt kritisch. Die Situation des Grundwassers hat sich vielerorts wegen Nitratverunreinigungen sogar verschlechtert. Bei den meisten Seen und gewässerabhängigen Natura 2000-Gebieten mangelt es an den erforderlichen Schutzmaßnahmen.

Probleme werden nicht zielführend in Angriff genommen

Wir beanstanden, dass die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, aber auch in Handel, Industrie, Landwirtschaft und Verkehr von der lokalen bis zur Bundesebene noch keine ausreichend wirksamen Maßnahmen zur Überwindung dieser kritischen Situation für unsere Gewässer umgesetzt haben. Die Konzentration auf „freiwillige Maßnahmen“ war erwartungsgemäß völlig unzureichend, um die Ziele der WRRL zu erreichen. Auch die aktuellen Bewirtschaftungsplanungen sind ungenügend, um den erheblichen Maßnahmenrückstand annähernd zu beheben. Die wenigen Erfolge der Umweltbehörden zeigen nur punktuelle Verbesserungen. Es fehlt flächendeckend an einer aktiven und integrativen Einbindung und Mobilisierung der Verursacherbereiche (Landwirtschaft, Industrie, Wasserkraft, Verbraucher). Vorgaben zur Gewässerverträglichkeit von Nutzungen werden als unzumutbare Einschränkungen wirtschaftlicher Tätigkeiten und einer individuell verstandenen Freiheit hingestellt und entsprechend bestimmen gewässerunverträgliche Nutzungen bisher das politische (Nicht-)Handeln. Das Verschlechterungsverbot der WRRL wird im Allgemeinen nicht sichergestellt. Alarmierend ist auch die Haltung gegenüber erheblich veränderten Gewässern. Auch für diese Wasserkörper gilt das Verschlechterungsverbot.

Wenn die Politik weiter vor allem auf das Prinzip der Freiwilligkeit setzt und Behörden auf den Mangel an finanziellen Mitteln und Personalressourcen hinweisen müssen, können das Verschlechterungsverbot sowie das Verbesserungsgebot weiterhin nicht eingehalten werden, so dass eklatant gegen die WRRL-Ziele verstoßen wird und sich Vertragsverletzungsverfahren nicht nur bei der Nitratbelastung des Grundwassers abzeichnen. Wie verbindlich die EU festgelegte WRRL- Richtlinienziele interpretiert, zeigt die aktuelle Klage gegen Deutschland wegen der mangelhaften Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie. Aus den Bereichen der Land-, Energie- und Verkehrswirtschaft sowie der Baupolitik manifestiert sich immer wieder offener Widerstand gegen die WRRL-Ziele. Subventionszahlungen begünstigen darüber hinaus verschiedene umweltschädliche Nutzungen zusätzlich und verschärfen die Situation.

Unsere Forderungen für eine konsequente Umsetzung der WRRL

Das Erreichen der WRRL-Ziele ist essentiell für den Schutz und Erhalt unserer Biodiversität und den Erhalt und die Verbesserung zentraler Ökosystemleistungen. Deshalb fordern wir von den Verantwortlichen:

  1. Das Verbesserungsgebot und das Verschlechterungsverbot müssen flächendeckend durchgesetzt werden, v.a. durch politischen Willen, klare Regeln, mehr Personaleinsatz und spürbare Sanktionen.
  2. Umweltschädliche Subventionen müssen abgebaut und gewässerunverträgliche Wassernutzungen finanziell belastet werden.
  3. Die ökologische Durchgängigkeit der Fließgewässer von der Quelle bis zur Küste muss bis 2021 zur Sicherung der Biodiversität und der Umsetzung der WRRL hergestellt werden.
  4. Verunreinigungen aller Art müssen bereits am Belastungsursprung auf ein gewässerverträgliches Maß eingeschränkt werden, auch um die Ziele für den Meeresschutz zu erreichen. Insbesondere sind die Einträge an Stickstoff, Phosphor, gefährlichen Substanzen, Mikroschadstoffen, Plastik sowie Wärmebelastungen deutlich zu vermindern. Verbindliche Minimierungs- und Phasing-Out-Pläne sind zu erstellen und umzusetzen.
  5. Der landwirtschaftliche Stickstoffüberschuss muss unter Einbeziehung der Gärreste und atmosphärischer Verluste in der Flächenbilanz deutlich auf 30 Kilo pro Hektar und Jahr und lokal ggf. weitergehender reduziert werden. Bei der Novelle der Düngeverordnung muss die Brutto-Hoftorbilanz eingeführt werden. Auch die weiteren Forderungen des gemeinsamen Eckpunktepapiers der Umweltverbände vom Oktober 2014 sind zu berücksichtigen. Auf Mineraldünger und Pestizide sind Steuern oder Abgaben zu erheben.
  6. Für jeden verunreinigten oder gefährdeten Grundwasserkörper sind verbindliche Sanierungspläne vorzulegen.
  7. Allen Gewässern müssen gewässertypspezifische Entwicklungsflächen zur Verfügung gestellt werden, z.B. durch die flächendeckende Anlage ungenutzter oder extensiv genutzter Uferrandstreifen und die Reaktivierung von Auen. Dies dient dem Hochwasserschutz, der WRRL und den Zielen des Naturschutzes.
  8. Flächen im öffentlichen Eigentum müssen prioritär im Sinne der öffentlichen Daseinsfürsorge für die Verhinderung weiterer Verschlechterungen des Zustandes von Gewässern und Grundwasser und für Verbesserungsmaßnahmen eingesetzt werden.
  9. Kein Neubau von Wasserkraftanlagen. Aufstau und Nutzung der Wasserkraft an freifließenden Strecken als auch an energetisch nicht genutzten Querbauwerken muss verboten werden. Die Förderung der Wasserkraftnutzung durch das EEG muss eingestellt werden. Statt Reaktivierung soll ein Programm zum Rückbau gestartet werden. Der Rückbau bestehender Wehre und kleiner Wasserkraftanlagen (< 1000 KW) sollte förderfähig sein.
  10. Auch Wasserstraßen müssen die Ziele der WRRL erreichen. Dafür sind bestehende Regelungsdefizite zu beheben und Zuständigkeitsfragen eindeutig und umgehend zu klären. Unter anderem muss das geplante Bundesprogramm Blaues Band Deutschland mit ausreichenden finanziellen Mitteln und Personal ausgestattet werden.
  11. Eine qualifizierte Öffentlichkeitsbeteiligung auf allen Ebenen ist flächendeckend sicher zu stellen. Dafür sind geeignete Strukturen und Prozesse aktiv und langfristig, auch über finanzielle Unterstützung, zu fördern. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist ein zeitnaher und gebührenfreier Zugang zu verständlichen und nachvollziehbaren Informationen.

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